Das Tanklager und die TA Luft

Die Re­ge­lung in § 4 Abs. 3 Nr. 2 der 20. BIm­SchV schlie­ßt für die vom An­wen­dungs­be­reich der 20. BIm­SchV er­fass­ten flüch­ti­gen or­ga­ni­schen Ver­bin­dun­gen (VOC), zu denen in ers­ter Linie die Koh­len­was­ser­stof­fe, mit­hin auch Ben­zol, ge­hö­ren, einen Rück­griff auf die Grenz­wer­te der TA Luft grund­sätz­lich aus.

Das Tanklager und die TA Luft

Die Verordnung zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen beim Umfüllen und Lagern von Ottokraftstoffen – 20. BImSchV – vom 27.05.1998[1] dient der Umsetzung der Richtlinie 94/63/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.1994[2] zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen (VOC-Emissionen) bei der Lagerung von Ottokraftstoff und seiner Verteilung von den Auslieferungslagern bis zu den Tankstellen[3].

Die Richtlinie 94/63/EG verfolgt das Ziel, vom Ottokraftstoff stammende VOC-Emissionen wesentlich zu verringern; einige dieser VOC-Emissionen werden als giftig, krebserregend oder angeborene Missbildungen hervorrufend eingestuft[4]. Die 20. BImSchV sieht – ebenso wie die Richtlinie 94/63/EG und anders als etwa die vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26. April 2007[5] behandelte 17. BImSchV und die TA Luft – keine Emissionsgrenzwerte für einzelne Stoffe vor. Sie enthält vielmehr eine allgemein auf „Emissionen an Dämpfen im Abgas“ bezogene Grenzwertregelung in § 4 Abs.03. Dabei werden unter „Dämpfen“ gemäß der mit der Definition in Art. 2 Buchst. b) der Richtlinie 94/63/EG übereinstimmenden Regelung in § 2 Nr. 5 der 20. BImSchV „gasförmige Verbindungen, die aus Ottokraftstoff verdunsten“ verstanden.

Nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a) der 20. BImSchV dürfen bei – wie hier – genehmigungsbedürftigen Anlagen die Emissionen an Dämpfen im Abgas eine Massenkonzentration von 0,15 g/m3 nicht überschreiten, soweit der Massenstrom der Dämpfe insgesamt 3 Kilogramm je Stunde oder mehr beträgt. Diese Regelung knüpft an die seinerzeit vorhandene Regelung in Nr.03.01.7 der TA Luft an. Der Grenzwert von 0,15 g/m³ kann von einstufigen, überwiegend jedoch zweistufigen Abgaseinrichtungen eingehalten werden[6].

Die Regelung in § 4 Abs. 3 Nr. 2 der 20. BImSchV schließt für die vom Anwendungsbereich der 20. BImSchV erfassten flüchtigen organischen Verbindungen (VOC), zu denen in erster Linie die Kohlenwasserstoffe, mithin auch Benzol, gehören, einen Rückgriff auf die Grenzwerte der TA Luft grundsätzlich aus. Dies folgt aus dem Rechtsnormcharakter der Verordnung und wird auch in Nr. 1 Abs. 4 TA Luft klargestellt. Danach gelten die Anforderungen der Nr. 5.1 bis 5.4 TA Luft nicht für genehmigungsbedürftige Anlagen, soweit in Rechtsverordnungen der Bundesregierung Anforderungen zur Vorsorge und zur Ermittlung von Emissionen an luftverunreinigenden Stoffen getroffen werden. Ausweislich der Begründung hierzu gehen hinsichtlich der Anforderungen zur Vorsorge Regelungen in vorhandenen und künftigen Rechtsverordnungen (z.B. 13., 17., 20., 30. und 31. BImSchV) vor, jedoch nur für solche Stoffe und für solche Tätigkeiten, für die in den Rechtsverordnungen Regelungen getroffen werden. So enthalte z.B. die 31. BImSchV lediglich Anforderungen zur Begrenzung von organischen Kohlenwasserstoffen, diese allerdings abschließend; ergänzend gälten somit hinsichtlich der Anforderungen zur Begrenzung anderer Emissionen, z.B. von Staub oder Stickstoffoxiden, die Anforderungen der TA Luft[7].

Abweichendes folgt auch nicht aus § 10 der 20. BImSchV. Danach bleibt die Befugnis der zuständigen Behörde, auf Grund des BundesImmissionsschutzgesetzes andere oder weitergehende Anordnungen zu treffen, unberührt, soweit die Vorschriften der Richtlinie 94/63/EG und die Vorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter nicht entgegenstehen. Diese Vorschrift enthält – wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 26. April 2007[8] zu der weitgehend gleichlautenden Regelung in § 20 der 17. BImSchV bereits entschieden hat – keine eigenständige Handlungsermächtigung, sondern stellt lediglich klar, dass die auf Rechtsgrundlagen außerhalb der 20. BImSchV beruhenden Befugnisse der Behörden durch diese Verordnung nicht verdrängt werden.

Ob auf § 10 der 20. BImSchV zurückgegriffen werden kann, wenn der in der Rechtsverordnung zugrunde gelegte Stand der Technik offensichtlich fortgeschritten ist[9], kann dahinstehen, weil hiervon nach den nicht Tatsachenfeststellungen im vorliegenden Fall nicht auszugehen ist. Gegenteiliges folgt nicht schon daraus, dass die TA Luft erst mehr als vier Jahre nach der 20. BImSchV neu gefasst worden ist. Soweit sich die TA Luft in Nr. 1 Abs. 4 zum Anwendungsvorrang von Rechtsverordnungen der Bundesregierung über Anforderungen zur Vorsorge und zur Ermittlung von Emissionen an luftverunreinigenden Stoffen verhält, bezieht sich dies ausweislich der Begründung[10] auch auf schon vorhandene Verordnungen. Die 20. BImSchV ist überdies sowohl im zeitlichen Zusammenhang mit der Neufassung der TA Luft als auch danach geändert worden, ohne dass hiervon die Grenzwerte in § 4 Abs. 3 Nr. 2 der 20. BImSchV betroffen waren.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18. Juni 2012 – 7 B 62.11

  1. BGBl I S. 1174, zuletzt geändert durch Verordnung vom 04.05.2009, BGBl I S. 1043[]
  2. ABl EG Nr. L 365 S. 24[]
  3. BR-Drucks 287/98 S. 21[]
  4. vgl. Erwägungsgrund Nr. 2[]
  5. BVerwG, URteil vom 26.04. 2007 – 7 C 15.06, Buchholz 406.25 § 48a BImSchG Nr. 2[]
  6. BR-Drucks 287/98 S. 26[]
  7. BR-Drucks 1058/01 S. 238; vgl. auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. IV, Stand Dezember 2011, Vorb. TA Luft Rn. 21[]
  8. BVerwG, URteil vom 26.04.2007, a.a.O. Rn. 16[]
  9. so Hansmann, a.a.O. Rn. 21[]
  10. BR-Drucks 1058/01 S. 238[]