Anerkannte Umweltverbände sind nicht berechtigt, die fehlerhafte Behandlung von in Lärmaktionsplänen dargestellten ruhigen Gebieten durch eine Flugverfahrensfestlegung zu rügen.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG kann eine anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, also eine Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann, oder deren Unterlassen einlegen, wenn sie geltend macht, dass die Entscheidung oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften widerspricht, die dem Umweltschutz dienen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können. Die Klagebefugnis lässt sich nicht mit der Erwägung bejahen, es sei nicht von vornherein ausgeschlossen, dass für die Festlegung von Flugverfahren eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen könne. Diese der sogenannten Möglichkeitstheorie zur Klagebefugnis entlehnte Formulierung verfehlt den rechtlichen Maßstab[1]. Das Gesetz fordert für einen Rechtsbehelf nach § 2 Abs. 1 UmwRG einen tauglichen Gegenstand, allein die Möglichkeit dessen Vorliegens reicht schon nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht aus. Für die Möglichkeitstheorie ist im Rahmen des § 2 Abs. 1 UmwRG nur Raum, wo das Gesetz eine „Geltendmachung“ durch den Umweltverband fordert und ausreichen lässt. Dies bestätigt der Vergleich mit § 42 Abs. 2 VwGO. Die Vorschrift lässt es genügen, wenn ein Umweltverband „geltend macht“, in eigenen Rechten verletzt zu sein. An diese Formulierung knüpft die Möglichkeitstheorie zur Klagebefugnis an.
Die Klage ist, soweit sie auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG gestützt wird, mangels tauglichen Gegenstands bereits unstatthaft. Denn die Festlegung von Flugverfahren gehört nicht zu den Entscheidungen, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung – UVPG – eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann[2].
Eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung folgt namentlich nicht aus § 3b Abs. 1 Satz 1 UVPG. Die Festlegung eines Flugverfahrens ist keine Entscheidung über den Bau eines Flugplatzes im Sinne der Begriffsbestimmungen des Abkommens von Chicago von 1944 zur Errichtung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (Anhang 14) (Anlage 1 Nummer 14.12 zum UVPG).
Das Unionsrecht teilt diese Sichtweise. Nach Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27.06.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten[3], neu kodifiziert durch die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten[4], werden Projekte des Anhangs I grundsätzlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen; bei Projekten des Anhangs II bestimmen die Mitgliedstaaten anhand einer Einzelfalluntersuchung oder von ihnen festgelegter Schwellenwerte bzw. Kriterien, ob das Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden muss. Der Begriff des Projekts wird in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a UVP-RL definiert als die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen und sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft. Durch Anhang I Nr. 7a und Anhang II Nr. 10 der UVP-RL erfährt er eine Beschränkung auf die Errichtung baulicher Anlagen, weil lediglich der Bau eines Flughafens der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterworfen ist oder sein kann. Diesem Projektbegriff entspricht eine Tätigkeit nur, wenn sie mit Arbeiten oder Eingriffen zur Anlegung oder Änderung des materiellen Zustands des Flughafens einhergeht[5]. Flugkorridore und ihre Zuordnung zu bestehenden Start- und Landebahnen sind nicht erfasst[6]. De lege lata bestätigt sieht sich das Bundesverwaltungsgericht durch den Umstand, dass der Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments in seinem Bericht vom 22.07.2013 zur Neufassung der Richtlinie 85/337/EWG – erfolglos – gefordert hat, die „Festlegung der An- und Abflugstrecken von Flugplätzen ab der bzw. bis zur Streckennetzanbindung“ in die Liste der obligatorisch UVP-pflichtigen Projekte aufzunehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Kenntnis genommen, dass die Europäische Kommission im Mai 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 Abs. 1 AEUV eingeleitet hat, weil die bundesdeutsche Rechtslage, nach der die Festlegung von Flugverfahren keiner vorherigen Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, mit der Richtlinie 85/337/EWG nicht vereinbar sei, und der Bundesrepublik Deutschland Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Welchen Verlauf das Verfahren nehmen wird, ist offen. In der Sache ist die innerstaatliche Rechtslage unionsrechtskonform. Das ergibt sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17.03.2011[7]. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 1 AEUV bedarf es deshalb nicht[8].
Von der Definition des Begriffs „Bau eines Flugplatzes“ zu trennen ist die Frage, inwieweit die Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Planfeststellung eines Flughafens Flugverfahren einbeziehen muss. Sie ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Sinne geklärt, dass eine detaillierte Ermittlung und Beschreibung der betriebsbedingten Auswirkungen des Vorhabens in der Regel nur für die der Planfeststellung zugrunde gelegte, mit dem BAF oder der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) abgestimmte Grobplanung der Flugrouten erforderlich ist und dass es darüber hinaus notwendig, regelmäßig aber auch ausreichend ist, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung die im Rahmen der Abwägung zu treffende Entscheidung vorbereitet, ob sich die Zulassung des Vorhabens nur rechtfertigen lässt, wenn bestimmte Gebiete von erheblichen Beeinträchtigungen durch Flugverkehr verschont bleiben[9]. Geklärt ist ferner, dass es von einer Regelung im Planfeststellungsbeschluss abhängt oder im Falle des Schweigens des regelnden Teils eine Frage der Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses ist, ob einzelne Flugverfahren ausgeschlossen sind. Ergibt die Auslegung des Planfeststellungsbeschlusses, dass er das angegriffene Flugverfahren zulässt, und richtet sich die Rüge des Umweltverbands dagegen, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung vor dem Erlass des Planfeststellungsbeschlusses bestimmte Umweltauswirkungen nicht ausreichend in den Blick genommen hat, muss sich der Umweltverband entgegenhalten lassen, dass es ihm offen gestanden hätte, insoweit den Planfeststellungsbeschluss mit der Begründung anzugreifen, dessen Maßnahmen reichten nicht aus, um die Ausgewogenheit der Standortentscheidung für den Fall von der Grobplanung abweichender Flugverfahren sicherzustellen[10]. Mit Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses kann der Umweltverband eine solche Korrektur nicht mehr fordern[11].
Der Antrag des Umweltverbands, dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob der Begriff „Bau von Flugplätzen“ in Anhang I Nr. 7a UVP-RL so auszulegen ist, dass eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung auch für die Festsetzung der für die Inbetriebnahme nötigen Flugroute erforderlich ist, wenn deren Auswirkungen auf vorangegangenen Verfahrensstufen nicht geprüft wurden, wird abgelehnt. Es besteht kein unionsrechtlicher Klärungsbedarf. Der Europäische Gerichtshof hat zwar wiederholt festgestellt, dass die UVP-Richtlinie einen ausgedehnten Anwendungsbereich sowie einen sehr weit reichenden Zweck hat[12] und an eine Gesamtbewertung der Auswirkungen von Projekten oder deren Änderung auf die Umwelt anknüpft. Es stellte eine Vereinfachung dar und liefe diesem Ansatz zuwider, wenn im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung eines Projekts oder seiner Änderung nur die unmittelbaren Wirkungen der geplanten Arbeiten selbst berücksichtigt würden, nicht aber die Auswirkungen auf die Umwelt, die durch die Benutzung und den Betrieb der aus diesen Arbeiten hervorgegangenen Anlagen hervorgerufen werden können[13]. Art. 2 Abs. 1 UVP-RL verlangt indes, dass ein Projekt „vor Erteilung der Genehmigung“ einer Prüfung unterzogen werden muss. Die Festlegung von Flugverfahren gehört nach innerstaatlichem Recht nicht zur Genehmigung des Projekts „Bau von Flugplätzen“. Sie ist auch nicht Teil eines gestuften Genehmigungsverfahrens in dem Sinne, dass zunächst eine Grundsatzentscheidung (über den Bau des Flughafens) und dann eine oder mehrere Durchführungsentscheidungen getroffen werden, und in dem die Auswirkungen, die ein Projekt möglicherweise auf die Umwelt hat, im Verfahren des Erlasses der Grundsatzentscheidung zu ermitteln und zu prüfen sind[14]. An- und Abflugverfahren sind nicht Bestandteil der Zulassungsentscheidung, sondern Verkehrsregeln zur sicheren Abwicklung des Flugverkehrs von und zu einem Flughafen[15].
Ebenfalls ohne Erfolg bleibt der Antrag, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob Art. 3 UVP-RL und der darin enthaltene Begriff der „unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts“ so auszulegen ist, dass darunter auch die Risiken eines durch das Projekt ausgelösten nuklearen Unfalls zu verstehen sind. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich, weil die Festlegung von Flugverfahren nicht der Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt und ein mögliches Defizit der Umweltverträglichkeitsprüfung im Planfeststellungsverfahren der Flugroutenbestimmung wegen der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses für den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld nicht entgegengehalten werden kann.
Der Anwendungsbereich des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes kann nicht im Wege der Analogie erweitert werden, um etwa (möglichen) Vorgaben des Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (arhus-Konvention – AK) vom 25.06.1998[16] zu genügen. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke, weil sich das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung als seinen Anwendungsbereich abschließend umschreibende Regelung verstanden hat[17].
Der Umweltverband ist auch nicht befugt, die ruhigen Gebiete, die das Land Berlin sowie die Gemeinden Teltow und Kleinmachnow auf der Grundlage des § 47d Abs. 2 Satz 2 Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG – in ihren Lärmaktionsplänen dargestellt haben, gegen die Flugroutenbestimmung in Schutz zu nehmen.
Die Möglichkeit einer Verbandsklage ist für den Umweltverband insoweit nicht eröffnet. Eine andere Bestimmung im Sinne von § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO, mit der eine objektive Rechtskontrolle ermöglicht wird, ist im nationalen Recht nur in eng begrenzten Bereichen normiert worden. Die vorhandenen, der Durchsetzung umweltrechtlicher Belange dienenden Bestimmungen sind nicht einschlägig. Wie bereits dargestellt, kann sich der Umweltverband auf § 2 Abs. 1 UmwRG nicht berufen. Auch § 64 Abs. 1 BNatSchG greift im hier interessierenden Zusammenhang nicht ein.
Aus Art. 9 Abs. 3 AK lässt sich ein Klagerecht ebenfalls nicht herleiten. Zwar ist § 42 Abs. 2 Halbs. 1 VwGO der Auslegung zugänglich, dass neben Bestimmungen des Bundes- und des Landesrechts auch Vorschriften des Unionsrechts als andere gesetzliche Bestimmungen eigenständige, von materiellen Berechtigungen losgelöste Klagerechte vermitteln können[18], und ist auch Unionsrecht berührt, nämlich Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.06.2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm[19], der mit § 47d Abs. 2 Satz 2 BImSchG in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist. Art. 9 Abs. 3 AK wirkt wegen des darin enthaltenen Ausgestaltungsvorbehalts derzeit aber nicht unmittelbar[20].
Eine Klagebefugnis folgt auch nicht aus § 42 Abs. 2 Halbs. 2 VwGO. Der Umweltverband kann nicht geltend machen, durch die zu erwartende Lärmzunahme in ruhigen Gebieten in seinen Rechten verletzt zu sein. Der Sechste Teil des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, zu dem § 47d BImSchG gehört, gilt nach § 47a Satz 1 BImSchG für den Umgebungslärm, dem Menschen ausgesetzt sind. Als juristische Person wird der Umweltverband nicht vom Anwendungsbereich der §§ 47a ff. BImSchG erfasst. Außerdem ergeben sich aus der Regelung der Lärmminderungsplanung in den §§ 47a ff. BImSchG nur Pflichten der zuständigen Behörden zur Erarbeitung von Lärmkarten und zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen, jedoch keine Schutzansprüche einzelner Immissionsbetroffener[21].
Unionsrecht gebietet es nicht, dem Umweltverband die Klagebefugnis zuzubilligen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung zum Luftqualitätsrecht der Union (Richtlinie 2008/50/EG) und der Bundesrepublik Deutschland (§§ 44 ff. BImSchG) die Auffassung vertreten, dass ein Klagerecht einer natürlichen Person zur Durchsetzung des Umweltrechts der Union auch Umweltvereinigungen zusteht, die nach § 3 UmwRG anerkannt sind[22]. Vorliegend fehlt es jedoch an einem Klagerecht einer natürlichen Person.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können sich Einzelne auf unbedingte und hinreichend genaue Bestimmungen einer Richtlinie berufen und haben die zuständigen nationalen Behörden und Gerichte die Bestimmungen des nationalen Rechts so weit wie möglich so auszulegen, dass sie mit dem Ziel der entsprechenden Richtlinie im Einklang stehen[23]. Eine unbedingte und hinreichend genaue Bestimmung stellt Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 Umgebungslärm-RL nicht dar. Die Vorschrift ordnet an, dass Ziel der Aktionspläne, die u.a. für Ballungsräume mit mehr als 250 000 Einwohnern aufzustellen sind, es auch sein soll, ruhige Gebiete gegen eine Zunahme des Lärms zu schützen. Die zuständigen Behörden sind weder verpflichtet, in ihren Plänen ruhige Gebiete darzustellen, noch ist es zwingend, den Schutz der Gebiete zum Ziel zu erklären. Die Umgebungslärm-Richtlinie gibt auch keine Lärmwerte vor, anhand derer ruhige Gebiete zu identifizieren sind. Vielmehr definiert sie als ruhiges Gebiet in einem Ballungsraum ein von der zuständigen Behörde festgelegtes Gebiet, in dem beispielsweise der Lden-Index oder ein anderer geeigneter Lärmindex für sämtliche Schallquellen einen bestimmten, von dem Mitgliedstaat festgelegten Wert nicht übersteigt (Art. 3 Buchst. l Umgebungslärm-RL). Schließlich stellt die Richtlinie die in den Plänen zu nennenden Maßnahmen in das Ermessen der zuständigen Behörden. Die zitierte Rechtsprechung zur fehlenden drittschützenden Wirkung der §§ 47a ff. BImSchG bedarf vor diesem Hintergrund keiner Korrektur.
Der Umweltverband kann eine Klagebefugnis ferner nicht daraus herleiten, dass die Gemeinden, die in ihren Lärmaktionsplänen ruhige Gebiete dargestellt haben, möglicherweise klagebefugt sind[24]. Die Subjektivierung des Unionsrechts als Anknüpfungspunkt für ein Klagerecht von Umweltverbänden ist auf diejenigen Personen beschränkt, denen das Unionsrecht Rechte einräumt. Die Umgebungslärm-Richtlinie nennt aber schon nicht die Gemeinden als diejenigen staatlichen Organe, die zur Aufstellung von Lärmaktionsplänen berufen sind und aus ihren Festsetzungen Rechte herleiten könnten, und beschränkt sich zudem darauf, den nach nationalem Recht zuständigen Behörden Kompetenzen zuzuweisen und Handlungspflichten zu formulieren.
Eine Einschaltung des Europäischen Gerichtshofs zur Beantwortung der Fragen,
- ob Art. 9 Abs. 3 AK unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 08.03.2011[25] so auszulegen ist, dass die Vorschrift einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, die die Zulässigkeit einer Klage davon abhängig macht, dass der Umweltverband geltend macht, durch das staatliche Handeln in seinen Rechten verletzt zu sein, wenn Gegenstand des Rechtsstreits die Klage einer nach nationalem Recht anerkannten Umweltschutzvereinigung ist, die den Schutz eines ruhigen Gebiets im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b Umgebungslärm-RL begehrt;
- ob Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Umgebungslärm-RL so auszulegen ist, dass Bewohner oder Nutzer von ruhigen Gebieten oder die diese Gebiete ausweisenden Kommunen in der Lage sein müssen, sich darauf zu berufen, dass das Gebiet gegen eine Zunahme des Lärms zu schützen ist,
ist nicht notwendig. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts, aufgrund dessen die Fragen zu verneinen sind, ist derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt[26].
Da der Umweltverband nicht befugt ist, die Flugrouten mit der Begründung anzugreifen, ihre Nutzung führe zu einer unzulässigen Verlärmung ruhiger Gebiete, brauchen die Fragen,
- ob Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b Umgebungslärm-RL so auszulegen ist, dass die Vorschrift einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, die den Schutz ruhiger Gebiete unter einen bloßen Abwägungsvorbehalt stellt;
bejahendenfalls,
- ob Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b Umgebungslärm-RL so auszulegen ist, dass die Abwägung schon dann zu einer Zunahme des Lärms führen kann, wenn ein Grund für die Erforderlichkeit der Lärmzunahme genannt werden kann, oder ob es sich bei der Verpflichtung, ruhige Gebiete gegen die Zunahme des Lärms zu schützen, um eine Verpflichtung handelt, die nur unter Zugrundelegung wichtiger Gründe hingenommen werden kann;
- ob Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Umgebungslärm-RL so auszulegen ist, dass die bestandskräftige Festsetzung eines ruhigen Gebiets bewirkt, dass die staatlichen Behörden zu gewährleisten haben, dass sich das Lärmschutzniveau innerhalb des Gebiets nicht verschlechtert;
- ob Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Umgebungslärm-RL so auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten zu gewährleisten haben, dass dem Ziel, eine Zunahme des Lärms in ruhigen Gebieten zu verhindern, bestmöglich Rechnung zu tragen ist,
dem Europäischen Gerichtshofs mangels Entscheidungserheblichkeit nicht unterbreitet zu werden.
Zulässig ist der Rechtsbehelf nach § 64 Abs. 1 BNatSchG. Nach Nr. 1 dieser Bestimmung kann eine anerkannte Naturschutzvereinigung, ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen Entscheidungen nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und Abs. 2 Nr. 5 bis 7 BNatSchG einlegen, wenn sie geltend macht, dass die Entscheidung u.a. Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes widerspricht. Einschlägig ist vorliegend § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG. Hiernach ist einer nach § 3 UmwRG von einem Land anerkannten, landesweit tätigen Naturschutzvereinigung u.a. vor der Erteilung von Befreiungen von Geboten und Verboten zum Schutz von Natura 2000-Gebieten, auch wenn diese durch eine andere Entscheidung eingeschlossen oder ersetzt werden, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits geklärt hat, ist ein anerkannter Verein nicht nur zur Einlegung von Rechtsbehelfen berechtigt, wenn eine Befreiung erteilt worden ist, sondern auch dann, wenn die zuständige Behörde unter Verkennung der Rechtslage eine Befreiungsentscheidung nicht für erforderlich gehalten und ein Verfahren gewählt hat, in welchem dem Umweltverband kein Beteiligungsrecht zur Seite steht[27].
Der Anwendungsbereich des § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG ist eröffnet. Zu den Befreiungen im Sinne der Vorschrift gehört auch die hier vom Umweltverband vermisste Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG[28]. Der Anwendbarkeit von § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG steht nicht entgegen, dass die Festlegung von Flugverfahren kein Projekt wäre, das nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG vor seiner Zulassung oder Durchführung auf seine Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen wäre. Der Projektbegriff des § 34 BNatSchG unterliegt nicht vergleichbaren Einschränkungen, wie sie der Projektbegriff im Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung in Art. 1 Abs. 2 UVP-RL über Art. 4 Abs. 1 und 2 UVP-RL in Verbindung mit den Anhängen I und II erfährt, sondern ist generell bei sonstigen Eingriffen in Natur und Landschaft erfüllt, d.h. auch bei der Ausübung schutzgebietsgefährdender Tätigkeiten, die nicht zwingend mit baulichen Veränderungen einhergehen. Er ist wirkungsbezogen[29], nicht vorhabenbezogen. Ein Projekt im Sinne des § 34 BNatSchG ist danach jedenfalls die Festlegung von Flugkorridoren, in denen Überflüge über Schutzgebiete in bestimmter Regelmäßigkeit und Intensität stattfinden[30]. Zu solchen Überflügen gehören An- und Abflüge zu einem Flughafen, deren Verfahren in der Rechtsform der Verordnung nach § 27a Abs. 2 Satz 1 LuftVO antizipiert und standardisiert sind. Dass die Festlegung der Flugverfahren nach § 27a Abs. 1 LuftVO nicht verbindlich ist, wenn im Einzelfall eine Flugverkehrskontrollfreigabe nach § 26 Abs. 2 Satz 2 LuftVO erfolgt ist, ändert daran nichts.
Einer Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG bedarf es, wenn Veranlassung für eine Prüfung der Verträglichkeit des Projekts mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets besteht – das ist nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG der Fall, wenn das Projekt einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet ist, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen – und die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann und deshalb nach § 34 Abs. 2 BNatSchG unzulässig ist.
Macht ein Umweltverband geltend, dass ein Projekt nur aufgrund einer Abweichungsentscheidung hätte zugelassen werden dürfen, muss er Tatsachen vortragen, die es möglich erscheinen lassen, dass das Projekt einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet ist, ein Natura 2000-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Ist die Eignung von Projekten zur erheblichen Beeinträchtigung von Natura 2000-Gebieten nach dem Vorbringen des Umweltverbands nicht von vornherein und nach jeder rechtlichen Betrachtungsweise ausgeschlossen, braucht der Umweltverband zu dem möglichen Ausgang einer etwa erforderlichen Verträglichkeitsprüfung nicht vorzutragen. Es ist gerade Aufgabe der Verträglichkeitsprüfung zu ermitteln, ob das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Mehr als Spekulationen, wie die Verträglichkeitsprüfung ausgehen könnte, wäre einem Umweltverband nicht möglich.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. November 2014 – 4 C 34.2013 –
- BVerwG, Urteil vom 19.12 2013 – 4 C 14.12, BVerwGE 149, 17 Rn. 8[↩]
- BVerwG, Urteil vom 19.12 2013 a.a.O. Rn. 11 ff., Urteil vom 26.06.2014 – 4 C 3.13 – LKV 2014, 460 Rn. 32[↩]
- ABl EG Nr. L 175 S. 40[↩]
- ABl EU Nr. L 26 S. 1 – UVP-Richtlinie, UVP-RL[↩]
- EuGH, Urteil vom 17.03.2011 – C-275/09, Slg. 2011, I-1753 Rn. 24 und 30[↩]
- vgl. die Antwort der Kommission vom 02.08.2002 auf die schriftlichen Anfragen E-2022/02 und E-2023/02 – ABl EU Nr. C 52 E S. 122[↩]
- EuGH, a.a.O.[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 06.10.1982 – C-283/81, Slg. 1982, I-3415 Rn. 14[↩]
- vgl. BVerwG, Urteile vom 31.07.2012 – 4 A 7001.11 u.a., BVerwGE 144, 44 Rn. 66; und vom 19.12 2013 – 4 C 14.12, BVerwGE 149, 17 Rn. 12[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 31.07.2012 – 4 A 5000.10 u.a., BVerwGE 144, 1 Rn. 51 a.E.[↩]
- BVerwG, Urteil vom 19.12 2013 a.a.O. Rn. 17[↩]
- EuGH, Urteile vom 24.10.1996 – C-72/95, Slg. 1996, I-5403 Rn. 31; vom 16.09.1999 – C-435/97, Slg. 1999, I-5613 Rn. 40; und vom 28.02.2008 – C-2/07, Slg. 2008, I-1197 Rn. 32[↩]
- EuGH, Urteil vom 28.02.2008 a.a.O. Rn. 43[↩]
- vgl. zur Umweltverträglichkeitsprüfung in einem gestuften Genehmigungsverfahren EuGH, Urteil vom 04.05.2006 – C-508/03, Slg. 2006, I-3969 Rn. 104[↩]
- BVerwG, Urteil vom 19.12 2013 a.a.O. Rn. 22[↩]
- Zustimmungsgesetz vom 09.12 2006, BGBl II S. 1251[↩]
- BVerwG, Urteile vom 05.09.2013 – 7 C 21.12, BVerwGE 147, 312 Rn. 30 f.; und vom 19.12 2013 a.a.O. Rn.20[↩]
- BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 a.a.O. Rn. 26[↩]
- ABl Nr. L 189 S. 12 – Umgebungslärm-Richtlinie, Umgebungslärm-RL[↩]
- EuGH, Urteil vom 08.03.2011 – C-240/09, Slg. 2011, I-1255 Rn. 52[↩]
- BVerwG, Urteile vom 14.04.2010 – 9 A 43.08, Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 56 Rn. 46; und vom 10.10.2012 – 9 A 20.11, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 229 Rn. 30[↩]
- BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 a.a.O Rn. 38 ff.[↩]
- EuGH, Urteil vom 25.07.2008 – C-237/07, Slg. I-6221 Rn. 36[↩]
- die Klagebefugnis nicht erörternd: BVerwG, rteil vom 26.06.2014 – 4 C 2.13; die Klagebefugnis bezweifelnd: Berkemann, NuR 2012, 517, 529 f.[↩]
- EuGH, Urteil vom 08.03.2011, a.a.O.[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 06.10.1982 – C-283/81, Slg. 1982, I-3415 Rn. 16[↩]
- BVerwG, Urteil vom 19.12 2013 – 4 C 14.12, BVerwGE 149, 17 Rn. 26[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 10.04.2013 – 4 C 3.12, BVerwGE 146, 176 = Buchholz 406.403 § 63 BNatSchG 2010 Nr. 3, jeweils Rn. 22[↩]
- BVerwG, Urteil vom 10.04.2013 a.a.O. Rn. 29[↩]
- vgl. BVerwG, Urteil vom 10.04.2013 a.a.O. Rn. 30[↩]