Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat einem vorläufigen Rechtsschutzantrag des „Freundeskreises freilebender Wölfe e.V.“ gegen eine Abschussgenehmigung für die Entnahme eines Wolfes im Landkreis Aurich stattgegeben.
Hintergrund des Verfahrens waren mehrere Rissereignisse am Hauptdeich von Dornum im Juni 2024, bei denen insgesamt vier Deichschafe durch einen Wolf getötet und vier weitere Schafe verletzt wurden. Mit Bescheid vom 4. Juli 2024 erließ der Landkreis Aurich auf Grundlage von § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 BNatSchG eine für sofort vollziehbar erklärte Ausnahmegenehmigung für die zielgerichtete letale Entnahme eines Individuums der streng geschützten Tierart Wolf (Canis lupus) aus der Natur. Gegen diese Ausnahmegenehmigung hat der Freundeskreis freilebender Wölfe e.V. Widerspruch eingelegt.
Das Verwaltungsgericht hat nun die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederhergestellt, weil sich die angefochtene Ausnahmegenehmigung bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich als rechtswidrig erweise:
Der Landkreis Aurich hat seine Genehmigung unter Bezugnahme auf das von der 101. Umweltministerkonferenz beschlossene „Schnellabschussverfahren“ einerseits mit der Deichsicherheit bzw. dem Hochwasserschutz (§ 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 4 BNatSchG) begründet und sie andererseits auf die Tatbestandsvariante des § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 BNatSchG (Abwendung ernster landwirtschaftlicher Schäden) gestützt. Konkret gestattet die Ausnahmegenehmigung zeitlich befristet den Abschuss eines Wolfs innerhalb eines Radius vom 1.000 m um das letzte Rissereignis innerhalb der Gemeinde Dornum. Der Landkreis hat darauf verzichtet, die Ausnahmegenehmigung auf den schadensverursachenden Wolf zu beziehen.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Oldenburg liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG, der als Ausnahmevorschrift vom allgemeinen artenschutzrechtlichen Tötungsverbot streng geschützter Tierarten aus § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG eng auszulegen ist, nach summarischer Prüfung nicht vor.
Bereits die von § 45 Abs. 7 S. 1 BNatSchG vorausgesetzte Gefahrenprognose begegnet im konkreten Fall rechtlichen Bedenken. Nach Auffassung der Kammer erfordert die auf Gefahren durch Wolfsrisse gestützte Gefahrprognose, dass die zuvor ereigneten Rissereignisse den Schluss zulassen, dass bei dem Wolf, dessen Tötung genehmigt wird, der Angriff auf die betroffenen Nutztiere als erlerntes und gefestigtes Jagdverhalten anzusehen ist. Das verbietet es, Rissereignisse in die Schadensprognose einzubeziehen, bei denen ein Mindestschutz nicht vorhanden war. Diesen Anforderungen genügte die angestellte Schadensprognose in der Ausnahmegenehmigung nicht. Vielmehr hat der Landkreis die seiner Ausnahmegenehmigung zugrunde liegende Schadensprognose ausschließlich auf Rissereignisse gestützt, bei denen ein Mindestmaß an wolfsabweisendem Schutz nicht vorhanden war.
Auch ist das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass in der Ausnahmegenehmigung nicht ausreichend begründet und nachgewiesen worden ist, dass es zum Abschuss des Wolfes keine zumutbaren Alternativen gemäß § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG gebe, z.B. die Ertüchtigung des vorhandenen Zaunes oder die Errichtung eines mobilen Zaunes.
Verwaltungsgericht Oldenburg, Beschluss vom 10. Juli 2024 – 5 B 1950 – /24