Eine Ausfuhrerstattung kann wegen Nichteinhaltung der unionsrechtlichen Vorschriften zum Schutz von Tieren beim Transport abgelehnt werden.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall meldete die Tierhändlerin im August 2006 beim Hauptzollamt Rinder zur Ausfuhr in den Kosovo an. Die Tiere wurden per LKW nach Triest und von dort per Schiff nach Durres (Albanien) befördert. Für diese Ausfuhrsendung beantragte die Tierhändlerin die Gewährung von Ausfuhrerstattung. Nach dem vorgelegten; vom Fahrer des Transportunternehmens unterzeichneten Transportplan erreichte der Transport den Hafen von Triest am 8.09.2006 um 1:00 Uhr, wo die Tiere für die 24-stündige Ruhepause bis zum 9.09.2006 2:00 Uhr verblieben. Um 3:00 Uhr verließen sie nach dem Transportplan den Hafen von Triest per Schiff.
Das Hauptzollamt lehnte den Antrag auf Gewährung von Ausfuhrerstattung mit der Begründung ab, die Angaben im Transportplan widersprächen den Angaben im Kontrollexemplar T5 (KE T5), in dem die Ausgangszollstelle in Triest und der dortige Veterinär als Datum des Ausgangs aus dem Zollgebiet der Union den 8.09.2006 bescheinigt hätten. Die erforderliche 24-stündige Ruhepause könne danach nicht eingehalten worden sein.
Die nach Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobene Klage hatte vor den Finanzgericht Hamburg zunächst Erfolg[1]. Das Finanzgericht Hamburg urteilte, die Tierhändlerin habe die nach der Verordnung (EG) Nr. 639/2003 der Kommission vom 09.04.2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 des Rates hinsichtlich des Schutzes lebender Rinder beim Transport als Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen[2] erforderlichen Dokumente vorgelegt. Demgegenüber könne sich das Hauptzollamt nicht auf sonstige Informationen i.S. des Art. 5 Abs. 1 Buchst. c VO Nr. 639/2003 berufen, die den Schluss rechtfertigten, die unionsrechtlichen Tierschutzvorschriften seien beim Transport nicht eingehalten worden. Auf die Revision des Hauptzollamtes hob nun der Bundesfinanzhof die Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg auf und wies die Klage der Tierhändlerin ab:
Die Tierhändlerin hat keinen Anspruch auf Ausfuhrerstattung. Ein Anspruch auf Gewährung der Erstattung für die Ausfuhr lebender Tiere ist nach dem hier anzuwendenden Art. 33 Abs. 9 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1254/99 des Rates vom 17.05.1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch[3] von der Einhaltung der gemeinschaftlichen Tierschutzvorschriften und insbesondere der Vorschriften zum Schutz von Tieren beim Transport abhängig.
Dem entspricht Art. 1 VO Nr. 639/2003, der die Zahlung der Ausfuhrerstattungen für lebende Rinder der Pos. 0102 der Kombinierten Nomenklatur von der Einhaltung der gemeinschaftlichen Tierschutzvorschriften, insbesondere der Vorschriften zum Schutz von Tieren beim Transport, abhängig macht. Während des Transports der Tiere bis zu ihrer ersten Entladung im Bestimmungsdrittland sind die Bestimmungen der Richtlinie 91/628/EWG des Rates vom 19.11.1991 über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG[4] i.d.F. der Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29.06.1995 zur Änderung der Richtlinie 91/628/EWG über den Schutz von Tieren beim Transport[5] sowie die Bestimmungen der VO Nr. 639/2003 einzuhalten.
Entsprechend regelt Art. 5 Abs. 1 Buchst. c VO Nr. 639/2003, dass eine Ausfuhrerstattung nicht gezahlt wird für Tiere, bei denen die zuständige Behörde aufgrund der Unterlagen gemäß Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 639/2003 und/oder sonstiger Informationen zu dem Schluss gelangt, dass die RL 91/628/EWG nicht eingehalten wurde.
Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 06.05.2008 – VII R 32/05[6] wird unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union „Viamex Agrar Handel“ (EuGH, Urteil vom 13.03.2008 – C-96/06, Viamex Agrar Handel, EU:C:2008:158, ZfZ 2008, 106, Rz 34, 41 und 44)) der für die Gewährung einer Ausfuhrerstattung erforderliche Nachweis in der Regel durch die Vorlage der insoweit vorgeschriebenen Dokumente erbracht. Er ist jedoch nur ausreichend, sofern die zuständige Behörde nicht über Informationen verfügt, aufgrund derer sie der Ansicht sein kann, dass die RL 91/628/EWG nicht eingehalten wurde. Verfügt sie über solche sich auf objektive und konkrete Umstände gründende Informationen, muss der Ausführer nachweisen, dass die Umstände, welche die Behörde für ihre Feststellung der Nichteinhaltung der Richtlinie 91/628/EWG anführt, nicht erheblich sind[7]. Gelingt dieser Nachweis nicht, ist die beantragte Ausfuhrerstattung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 639/2003 zu versagen[8]. Diese Rechtsfolge ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar[9].
Es bestehen bezüglich des hier streitgegenständlichen Ausfuhrvorgangs aufgrund objektiver und konkreter Informationen erhebliche Zweifel an der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Vorschriften der Richtlinie 91/628/EWG.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Anstrich 1 i.V.m. Kapitel 1 Nr. 2 Buchst. d des Anhangs und Kapitel VII Nr. 4 Buchst. d und Nr. 5 des Anhangs der RL 91/628/EWG müssen Rinder nach einer Transportdauer von 14 Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause erhalten, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden können. Nach dieser Ruhepause kann der Transport für weitere 14 Stunden fortgesetzt werden. Nach der festgesetzten Transportdauer müssen die Tiere entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten.
Gegen die sich aus dem Transportplan ergebenden Ankunfts- und Abfahrtzeiten und die daraus folgende Möglichkeit einer 24-stündigen Ruhepause in Triest sprechen die amtlichen Vermerke auf dem KE T5 und dem Transportplan.
Das KE T5 ist das zentrale Dokument für die Nachweisführung im Ausfuhrerstattungsrecht. Nach Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15.04.1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen[10] muss der dem Ausführer obliegende Nachweis, dass die Erzeugnisse das Zollgebiet der Union verlassen haben, durch den Ausgangsvermerk auf dem KE T5 erbracht werden. Dem Ausgangsvermerk auf dem KE T5 kommt daher für die Beweiswürdigung entscheidende Bedeutung zu. Die italienische Ausgangszollstelle hat auf dem KE T5 im Feld J den Ausgang der Tiere aus dem Zollgebiet der Union für den 8.09.2006 bestätigt. Auch der amtliche Tierarzt hat im Feld J des KE T5 seinen Dienststempel sowie den Stempel mit dem Datum 8.09.2006 angebracht und unterzeichnet.
Des Weiteren muss der amtliche Tierarzt gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 des Rates vom 25.06.1997 zur Festlegung gemeinschaftlicher Kriterien für Aufenthaltsorte und zur Anpassung des im Anhang der Richtlinie 91/628/EWG vorgesehenen Transportplans[11] vor dem Verlassen des Aufenthaltsorts in dem Transportplan bestätigen, dass die Tiere für die weitere Verbringung transportfähig sind. Der amtliche Veterinär hat im Streitfall auf dem Transportplan das Datum des 8.09.2006 vermerkt, unterzeichnet und mit einem Stempel versehen.
Die Würdigung der festgestellten Tatsachen durch das Finanzgericht ist rechtsfehlerhaft. Wie der Bundesfinanzhof bereits mit Urteilen in BFHE 233, 567, HFR 2011, 1080 und ZfZ 2011, 247, unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung ausgeführt hat, besteht eine Bindung des Revisionsgerichts an Tatsachenfeststellungen bzw. -würdigungen nur, wenn sie möglich sind, wozu gehört, dass sie frei sind von Verstößen gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze und auf einer nachvollziehbaren Anwendung rational einsichtiger Grundsätze der Beweiswürdigung beruhen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Finanzgericht stützt seine Entscheidung maßgeblich auf die Angaben im Transportplan, wonach die Tiere erst mit der Fähre am 9.09.2006 um 3:00 Uhr den Hafen von Triest verlassen haben. Hingegen hat das Finanzgericht ohne nachvollziehbare Begründung die Bestätigung des amtlichen Veterinärs auf dem Transportplan mit Datum vom 08.09.2006 mit der bloßen Behauptung als unerheblich zurückgewiesen, das Finanzgericht wisse aus Erfahrung, die LKW-Fahrer wüssten um die Bedeutung ihrer Angaben im Transportplan, während italienische Veterinäre es mit den unionsrechtlichen Vorschriften nicht so genau nähmen. Aus derart unfundierten allgemeinen Behauptungen lässt sich für den Ablauf des streitgegenständlichen Transports nichts herleiten.
Die -in Übereinstimmung mit den Datumsangaben des Veterinärs auf dem KE T5 stehende- Bestätigung der italienischen Ausgangszollstelle auf dem KE T5 im Feld J über den Ausgang der Tiere aus dem Zollgebiet der Union für den 8.09.2006 hat das Finanzgericht in seiner Würdigung des Sachverhalts rechtsfehlerhaft überhaupt nicht berücksichtigt.
Auch hat das Finanzgericht das im Frachtvertrag genannte „sailing date“ (also Abfahrtsdatum) ohne weitere Begründung und ohne sonstige Anhaltspunkte nicht als tatsächliches Abfahrtsdatum angesehen, und folgerte daraus nicht, dass die Fähre an diesem Tag den Hafen von Triest verlassen habe. Vielmehr misst das Finanzgericht der Erklärung der Spedition Prioglio Tomaso S.P.A. eine höhere Bedeutung zu und sieht den Beweiswert des Frachtvertrags vor dem Hintergrund dieser Erklärung als „gegen Null“ an. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen das Finanzgericht zu dieser Einschätzung gelangt, insbesondere wieso eine privatschriftliche Erklärung einen höheren Beweiswert haben soll als ein Frachtvertrag, der -im Fall des Vorhandenseins aller erforderlichen Angaben- als Urkunde i.S. von § 408 des Handelsgesetzbuchs angesehen werden kann[12].
Weiterhin ist es nicht nachvollziehbar, wie das Finanzgericht zu dem Ergebnis kommt, dass nur „eine Unterschreitung der 24-stündigen Ruhezeit von wenigen Stunden in Rede steht“. Diese Feststellung ist das Ergebnis bloßer Spekulation und lässt sich nicht aus den vorgelegten Unterlagen ableiten.
Die an der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen bestehenden Zweifel wurden durch die von der Tierhändlerin vorgelegten Unterlagen nicht ausgeräumt. Die vom Hauptzollamt von der Tierhändlerin angeforderte geänderte Ausgangsbestätigung der Ausgangszollstelle Triest konnte ausweislich des klägerischen Schreibens vom 09.05.2011 nicht vorgelegt werden. Die Tierhändlerin legte auch keine Tachoscheiben zum Beweis der Inhalte des Transportplans vor. Eine Zurückverweisung an das Finanzgericht kommt wegen der nach den Feststellungen des Finanzgericht nicht mehr möglichen Klärung des Sachverhalts nicht in Betracht. Der fehlende Nachweis der Einhaltung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen geht zu Lasten der Tierhändlerin.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 12. Juli 2016 – VII R 14/15
- FG Hamburg, Urtei vom 29.08.2014 – 4 K 84/13[↩]
- ABl.EU Nr. L 93/10, berichtigt im ABl.EU vom 08.08.2003 Nr. L 201/28[↩]
- ABl.EG Nr. L 160/21[↩]
- ABl.EG Nr. L 340/17[↩]
- ABl.EG Nr. L 148/52[↩]
- BFHE 221, 342, ZfZ 2008, 209[↩]
- bestätigt durch BFH, Urteil vom 17.05.2011 – VII R 40/10, BFHE 233, 567, HFR 2011, 1080 mit Anmerkung Krüger, ZfZ 2011, 247, Rz 14, unter Hinweis auf EuGH, Urteile Viamex Agrar Handel, EU:C:2008:158, ZfZ 2008, 106, Rz 41, und Schwaninger Martin vom 17.07.2008 – C-207/06, EU:C:2008:414, ZfZ 2008, 206, Rz 42[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 233, 567, HFR 2011, 1080, unter Hinweis auf das EuGH, Urteil Viamex Agrar Handel, EU:C:2008:158, ZfZ 2008, 106, Rz 50, 52[↩]
- EuGH, Urteil Viamex Agrar Handel, EU:C:2008:158, ZfZ 2008, 106, und EuGH, Urteil Viamex Agrar Handel und ZVK vom 17.01.2008 – C-37/06 und – C-58/06, EU:C:2008:18, ZfZ 2008, 42, Rz 43 bis 45[↩]
- ABl.EG Nr. L 102/11[↩]
- ABl.EG Nr. L 174/1[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 24.08.2004 – VII R 50/02, BFHE 206, 488, ZfZ 2005, 23[↩]