Schadensvorsorge und Drittschutz bei atomrechtlichen Beförderungsgenehmigungen

Die Regelung über die Gewährleistung der erforderlichen Vorsorge gegen Schäden durch die Beförderung von Kernbrennstoffen in § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG wie auch die Regelung über die Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter in § 4 Abs. 2 Nr. 5 AtG dienen auch dem Schutz individueller Rechte von Dritten, die in der Nähe einer Umschlaganlage oder einer von dort ins Transportbehälterlager führenden Straße wohnen.

Schadensvorsorge und Drittschutz bei atomrechtlichen Beförderungsgenehmigungen

Rechtsgrundlage der angegriffenen Beförderungsgenehmigung ist § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz, AtG). Danach bedarf die Beförderung von Kernbrennstoffen außerhalb eines abgeschlossenen Geländes, auf dem Kernbrennstoffe staatlich verwahrt werden oder eine nach den §§ 6, 7 und 9 AtG genehmigte Tätigkeit ausgeübt wird, der Genehmigung. Diese wird dem Absender oder demjenigen erteilt, der es übernimmt, die Versendung oder Beförderung der Kernbrennstoffe zu besorgen. Die Beigeladene hat in Abstimmung mit der Betreiberin des Transportbehälterlagers die Verbringung hochradioaktiver Abfälle nach G. übernommen. Die gegen die erteilte Beförderungsgenehmigung erhobene Anfechtungsklage hat sich mit Abschluss des Transports im Dezember 2003 erledigt, was die Kläger veranlasst hat, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der erteilten Genehmigung zu beantragen, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteress besteht weiterhin[1]. Zwar werden Transporte von HAW-Glaskokillen im Behältertyp Castor HAW 20/28 CG in das TBL G. künftig schon deshalb nicht mehr erfolgen, weil diese Baureihe durch einen neuen Behältertyp abgelöst worden ist. Da HAW-Glaskokillen im Transportbehälterlager aber nur zwischengelagert werden und nach Maßgabe der Aufbewahrungsgenehmigung deren Abtransport in den streitbefangenen Castorbehältern jederzeit möglich sein muss, rechtfertigt dies bereits die Annahme eines berechtigten Interesses unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Auch unabhängig von den zum Einsatz kommenden Behältertypen und deren etwaigen, von den Klägern gerügten Konstruktionsmängeln wird sich zudem für einen künftigen Abtransport der Behälter die Frage stellen, ob hinreichender Schutz der Transportvorgänge gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (SEWD-Fälle) gewährleistet ist. Die Frage, ob das TBL G. künftig noch Ziel weiterer Castortransporte sein wird, kann daher dahinstehen.

Die der angefochtenen Beförderungsgenehmigung zugrunde liegende Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG ist drittschützend. Hierfür sprechen sowohl Erwägungen der Gesetzessystematik als auch Sinn und Zweck der Regelung. Ihr Verständnis als Schutznorm scheitert auch nicht an dem Erfordernis eines abgrenzbaren Personenkreises.

Rechtssystematisch ist vor allem von Bedeutung, dass § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG einen mit § 7 Abs. 2 Nr. 3 und § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG vergleichbaren Regelungsgehalt aufweist. Alle drei Vorschriften machen die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden zur Genehmigungsvoraussetzung für verschiedene Ausprägungen des Umgangs mit Kernbrennstoffen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermittelt § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG mit dem Gebot der erforderlichen Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb kerntechnischer Anlagen Drittschutz, da hiermit nicht nur die Allgemeinheit, sondern auch der Einzelne vor den Gefahren und Risiken der Kernenergie bewahrt werden soll[2]. Welches Risiko Drittbetroffenen zugemutet werden darf, konkretisieren zwar für ihren Anwendungsbereich die in der Strahlenschutzverordnung festgelegten Dosisgrenzwerte (§ 47 StrlSchV) und Störfallplanungswerte (§ 49 StrlSchV). Das ändert entgegen der Auffassung der Beklagten aber nichts daran, dass der Drittschutz schon in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG selbst verankert ist. Für die Aufbewahrung bestrahlter Brennelemente außerhalb der staatlichen Verwahrung gilt unter dem Gesichtspunkt des Drittschutzes nichts anderes. Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG ist auch insoweit die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge zu leisten, womit sich der Schutz Drittbetroffener verbindet[3].

§ 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG unterscheidet sich in seiner Grundstruktur nicht von den beiden vorgenannten Bestimmungen. Er macht die Beförderungsgenehmigung für Kernbrennstoffe von der Gewährleistung abhängig, dass die Kernbrennstoffe unter Beachtung der für den jeweiligen Verkehrsträger geltenden Rechtsvorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter befördert werden oder, soweit solche Vorschriften fehlen, auf andere Weise die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Beförderung getroffen ist. Trotz der Aufgliederung in zwei Regelungsalternativen erhebt auch diese Vorschrift die erforderliche Schadensvorsorge in beiden Alternativen zur Genehmigungsvoraussetzung und richtet den gebotenen Schutzstandard am jeweiligen Stand von Wissenschaft und Technik aus. Das ergibt sich zwingend aus der Formulierung der zweiten Alternative, wonach – soweit Gefahrgutvorschriften fehlen – die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Schadensvorsorge „auf andere Weise“ getroffen sein muss. Beide Alternativen verpflichten also zur Gewährleistung der erforderlichen Schadensvorsorge; sie unterscheiden sich lediglich darin, dass in der ersten Alternative zur Konkretisierung auf das Gefahrgutrecht verwiesen wird, während in der zweiten Alternative die Vorsorgeanforderungen auf andere Weise durch die Exekutive konkretisiert werden müssen. Ist der Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG demnach im Wesentlichen dem des § 7 Abs. 2 Nr. 3 und des § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG vergleichbar, so kann die Frage nach dem Schutznormcharakter dieser Regelung schwerlich anders beantwortet werden als für die beiden anderen, unstreitig als Schutznormen zu qualifizierenden Vorschriften.

Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass das Schutzkonzept des Gefahrgutrechts, auf dessen Vorschriften § 4 Abs. 2 Nr. 3 Halbs. 1 AtG Bezug nimmt, sich wesentlich von dem in den drittschützenden Grenzwertregelungen der Strahlenschutzverordnung gewählten Ansatz unterscheidet. Während § 47 Abs. 1 und § 49 Abs. 1 StrlSchV Dosisgrenzwerte für Einwirkungsorte jenseits des Anlagengeländes festlegen und damit namentlich den Schutz für Anwohner im Umfeld der Anlage konkretisieren, ist das Schutzkonzept des Gefahrgutrechts auf das Ziel hin ausgestaltet, unterschiedslos für jedermann, der in die Nähe der Transportstrecke gelangt, unabhängig von der Aufenthaltshäufigkeit und -dauer einen dem gesetzlichen Sicherheitsstandard entsprechenden Schutz zu gewährleisten. Einschlägig sind die Bestimmungen in den Teilen 1 bis 9 der Anlagen A und B zu dem Europäischen Übereinkommen vom 30.09.1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) sowie die Teile 1 bis 7 der Anlage der Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (RID) – Anlage I zu Anhang B des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 09.05.1980. Auf diese beiden, weitgehend identisch gegliederten und ausformulierten Regelwerke verweist § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 3 der Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn vom 01.01.2003 – GGVSE -[4], die auf der Grundlage von § 3 Abs. 1 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes vom 14.08.1998 – GGBefG -[5] erlassen worden ist. Zur Begrenzung der Strahlenexposition bestimmen Abschnitt 2.2.7.8.2 und Abschnitt 7.5.11 CV 33 (3.3 b/c) und 3.5 b und c ADR/RID, dass während der Beförderung radioaktiver Stoffe die Dosisleistung auf der Außenfläche des Versandstücks bzw. des Fahrzeugs an keinem Punkt 2 mSv/h und in einem Abstand von 2 m vom Fahrzeug an keinem Punkt 0,1 mSv/h überschreiten darf. Im Gegensatz zu den immissionsbezogenen Grenzwerten der Strahlenschutzverordnung bestimmen diese Grenzwerte das noch hinzunehmende Maß von Emissionen der Versandstücke und Transportfahrzeuge.

Diese Ausgestaltung des Gefahrgutrechts rechtfertigt es indes nicht, § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG eine drittschützende Wirkung abzusprechen. Zum einen ist das festgelegte Schutzkonzept in seiner behälterbezogenen Ausrichtung jedenfalls geeignet, den Schutz von Anliegern mit zu gewährleisten. Zum anderen hat die Auslegung des § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG sich primär an dem Sinngehalt dieser Vorschrift selbst und ihrem systematischem Zusammenhang mit den Vorschriften des Atomgesetzes im Übrigen und nicht an den lediglich zur Konkretisierung der erforderlichen Schadensvorsorge in Bezug genommenen Bestimmungen des Gefahrgutrechts zu orientieren. Auch wenn das Gefahrgutrecht als solches keinen Drittschutz gewährt, besagt dies nicht, dass die darauf verweisende und durch dessen sicherheitsrechtliche Vorgaben angereicherte Genehmigungsvoraussetzung des § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG ebenfalls keinen Drittschutz vermitteln könnte. Allein das Atomgesetz und nicht nachgeordnetes oder in Bezug genommenes Recht entscheidet mit dem von ihm verfolgten Gesetzeszweck über die Schutzwirkung zugunsten Dritter.

Der Sinn und Zweck des § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG bestätigt den Schutznormcharakter dieser Vorschrift. Sie ist ebenso wie die Parallelregelungen in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG und § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG vor dem Hintergrund der Schutzzweckbestimmung des § 1 Nr. 2 AtG zu verstehen. Das Atomgesetz bezweckt hiernach ausdrücklich – und zwar vorrangig vor einer Förderung der Atomenergienutzung -, Leben, Gesundheit und Sachgüter vor den Gefahren der Kernenergie zu schützen[6]. Maßgeblich gestützt auf diese Schutzzielbestimmung hat das Bundesverfassungsgericht dem Begriff der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Schadensvorsorge den Grundsatz bestmöglicher Gefahrenabwehr und Schadensvorsorge entnommen[7]. Danach müssen Schäden durch den der Genehmigung unterworfenen Vorgang praktisch ausgeschlossen sein[8]. Mit Rücksicht auf die in § 1 Nr. 2 AtG benannten Individualrechtsgüter drängt es sich auf, diesen Grundsatz zugunsten potenziell Betroffener als drittschützend zu verstehen, gleichviel ob er in Bezug auf den Betrieb kerntechnischer Anlagen, die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen oder den Transport von Kernbrennstoffen verwendet wird. Dies gilt umso mehr im Hinblick auf das hohe Gefährdungspotenzial der in Rede stehenden Vorgänge, das sich im Falle einer Freisetzung mit schwerstwiegenden Schadensfolgen aktualisieren würde.

Grundrechtliche Erwägungen bestätigen dieses Ergebnis. Die Regelungen über die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Schadensvorsorge hat der Gesetzgeber in Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten getroffen, die sich ihrerseits aus dem objektivrechtlichen Gehalt der Grundrechte des Art. 2 Abs. 2 und des Art. 14 Abs. 1 GG ergeben[9]. Dass dies auch für § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG gilt, stellt das Oberverwaltungsgericht nicht infrage. Es zieht daraus indessen nicht die Konsequenz, die betreffenden einfachrechtlichen Regelungen als drittschützend zu qualifizieren, sondern nimmt an, grundrechtliche Positionen würden als Reflex mit geschützt. Diese Argumentation ist unschlüssig. Der grundrechtlichen Schutzpflicht des Staates entspricht ein grundrechtlicher Schutzanspruch des durch die schutzgebietende Tätigkeit betroffenen Grundrechtsträgers[10]. Dem Staat steht bei der Erfüllung seiner grundrechtlichen Schutzpflichten allerdings ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Kommt der Gesetzgeber der Schutzpflicht – wie hier – im Rahmen dieses Spielraums durch Regelungen nach, die ihrerseits noch umsetzungsbedürftig sind, so erledigt der Schutzanspruch sich dadurch aber nicht einfach; an die Stelle des zunächst grundrechtsunmittelbaren Anspruchs tritt vielmehr ein Schutzanspruch aus der konkretisierenden einfachrechtlichen Regelung. Das Bundesverfassungsgericht spricht insoweit von einem einfachgesetzlich konkretisierten Grundrechtsschutz[11].

Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.10.1987[12] folgt nichts anderes. Das Gericht hat es in dieser Entscheidung abgelehnt, aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein Recht auf Verfahrensteilhabe Betroffener vor Zustimmung des Gesetzgebers zu völkerrechtlichen Verträgen abzuleiten, die ausländischen Truppen die Lagerung chemischer Waffen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erlauben. Es ging also um die Frage, ob der Gesetzgeber seiner grundrechtlichen Schutzpflicht – auch – durch Erlass verfahrensrechtlicher Regelungen zu genügen habe. Diese Fragestellung unterscheidet sich deutlich von der hier maßgeblichen, ob in Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten geschaffene grundrechtskonkretisierende Regelungen drittschützend sind und deshalb nach Art.19 Abs. 4 GG, § 42 Abs. 2 VwGO potenziell Betroffenen gerichtlichen Rechtsschutz eröffnen.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings anerkannt, dass atomrechtliche Vorschriften einen grundrechtskonkretisierenden subjektivrechtlichen Gehalt nur insoweit aufweisen, als sie neben dem geschützten Recht auch einen bestimmten und abgrenzbaren Kreis der hierdurch Berechtigten erkennen lassen[13]; dies betrifft zuvörderst Menschen, die im Gefahrenbereich einer genehmigungsbedürftigen Anlage wohnen oder arbeiten und deshalb des Schutzes vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen bedürfen[14]. Dabei ist eine Rechtsverletzung erst in Betracht zu ziehen, wenn an einem für den Betroffenen „bedeutsamen Standort“, also an seinem Wohnort, Arbeitsplatz oder Aufenthaltsort radioaktive Konzentrationen zu erwarten sind, die nach den Wertungen des Atomgesetzes nicht hingenommen werden müssen[15]. Mit dem jeweiligen Einwirkungsbereich einer Anlage verbindet sich also ein bestimmbarer Kreis betroffener Personen[16].

Wenn das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht[17] ausgehend von dieser zu den §§ 6 und 7 AtG ergangenen Rechtsprechung die für die Begründung der Klagebefugnis erforderliche Voraussetzung einer engeren räumlichen Beziehung der in einer Entfernung von ca. 650 m zur Eisenbahnstrecke bzw. in einer Entfernung von ca. 26 m zur Straße nach G. wohnenden Kläger zu den Castortransporten ins Transportbehälterlager G. verneint, weil angesichts im gesamten öffentlichen Schienen- und Straßennetz möglicher Transporte von Kernbrennstoffen ein abgrenzbarer und individualisierbarer Personenkreis nicht betroffen sein könne, lässt es Folgendes außer Acht: Die Kläger haben ihren Lebensmittelpunkt auf in ihrem Eigentum stehenden Wohngrundstücken im näheren Umgriff der stationären Verladestelle am Bahnhof D. bzw. unmittelbar angrenzend an die von dort zum Transportbehälterlager führende Straße, über die mit Schwerlastkraftfahrzeugen der Transportvorgang zum Abschluss gebracht wird. Die von der Beklagten betonte Vielzahl möglicher Transportwege verengt sich hier also nach Art eines Flaschenhalses auf eine nahezu zwangsläufig zu benutzende Strecke. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Transportbehälterlager nicht über einen Gleisanschluss verfügt, weshalb ein Umschlag auf dem Lagergelände mit anschließender Lagerung der Transportbehälter in der hierfür vorgesehenen Halle ausscheidet. Dieser den Transportvorgang zu Ende führende Umschlag mit der abschließenden Verbringung der Versandstücke in die Lagerhalle beginnt daher bereits am Bahnhof D., wofür insbesondere auch spricht, dass die Betreiberin des Transportbehälterlagers ebenso die Umschlaganlage am Bahnhof D. betreibt und ausweislich des Bescheides über die Beförderungsgenehmigung schon für den Umschlag Verantwortung trägt. Diese Umstände rechtfertigen die Annahme, dass die Betroffenheit der Kläger sich deutlich abhebt von der sonstiger (potenzieller) Anlieger einer bescheidmäßig nicht festgelegten Beförderungsstrecke von der deutsch-französischen Grenze nach D. Eine engere räumliche Beziehung zwischen den Wohnorten der Kläger und dem Transportvorgang kann danach nicht zweifelhaft sein.

Das Kriterium eines für den Betroffenen bedeutsamen Standortes enthält neben der räumlichen auch eine zeitliche Komponente, wie die Beispiele des Wohnens und Arbeitens im Einwirkungsbereich einer nach § 7 AtG genehmigungsbedürftigen Anlage zeigen. Auch in dieser Hinsicht ist eine hinreichende Beziehung der Kläger zu den Transportvorgängen zu bejahen. Zwar ist ein mit dem Transport von Kernbrennstoffen verbundener dynamischer Beförderungsvorgang mit dem Betrieb einer ortsfesten Anlage zur Spaltung oder Aufbewahrung von Kernbrennstoffen nicht voll vergleichbar; mit ersterem verbinden sich keine dauerhaften oder über längere Zeiträume sich erstreckenden Einwirkungen wie mit dem Betrieb einer Anlage. Doch kann bezogen auf die in D. betriebene Verladestelle nicht außer Acht bleiben, dass die Transporte der HAW-Glaskokillen bislang stets den Weg über diese Verladestelle ins Transportbehälterlager genommen haben und auf sie sowie die von dort zu dem Lager führende Straße angewiesen sind. Für den Kläger zu 1 kommt hinzu, dass die Verweildauer der Transporte in der Umschlaganlage deren Nachbarschaft als abgrenzbaren Kreis Betroffener abhebt von den Anliegern des Schienenweges, auf dem das Transportgut in einem mehr oder weniger flüchtigen Beförderungsvorgang vorbeigeführt wird.

Soweit die Kläger auf die befürchtete Höhe von Schäden infolge eines Beförderungsunfalls hinweisen, rechtfertigt dies allein allerdings nicht bereits die Annahme der Möglichkeit einer Rechtsverletzung. Ausreichend ist jedoch ihr substantiierter Vortrag, dass infolge der Konstruktionsfehler an den Stoßdämpfern ein zu Schäden führendes Risiko bestehe und hierfür Vorsorge im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG getroffen werden müsse. Insoweit machen sie geltend, dass ihnen durch die angefochtene Genehmigung ein höheres Risiko zugemutet wird, als sie nach der Schutzbestimmung des Atomrechts tragen müssen[18].

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass mit dem nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG zu gewährleistenden Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter ein Vorsorge- und Schutzstandard bestimmt wird, der mit demjenigen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG übereinstimmt und ebenso Drittschutz vermittelt[19]. Der „erforderliche“ Schutz ist beide Male ein „vorsorgender“ Schutz, wie auch das Maß des Erforderlichen jeweils nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu bestimmen ist. Demgemäß müssen Gefahren und Risiken auch durch Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter praktisch ausgeschlossen sein[20]. Dasselbe gilt für die gleich lautenden Vorschriften der § 6 Abs. 2 Nr. 4 und § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG und deren Verhältnis zueinander. Der von einem terroristischen Anschlag auf ein Kernkraftwerk oder ein Aufbewahrungslager betroffene Personenkreis ist nach dem Einwirkungsbereich, somit ebenfalls nach den möglichen Auswirkungen eines derartigen Ereignisses bestimmbar[21]. Der Umstand, dass die gerichtliche Überprüfung namentlich wegen notwendiger Geheimhaltung von Einzelheiten des Sicherungs- und Schutzkonzepts eingeschränkt ist, rechtfertigt es nicht, den Betroffenen Rechtsschutz im Bereich der erforderlichen Schadensvorsorge gegen terroristische Einwirkungen Dritter vollständig zu versagen. Soweit die Behörde Schadensvorsorge für erforderlich hält, steht Betroffenen ein entsprechender Genehmigungsabwehranspruch zur Seite, wenn ein hinreichend wahrscheinlicher Geschehensablauf vorgetragen wird, bei dem trotz der getroffenen Vorsorge eine Rechtsverletzung möglich erscheint[22].

Dieselben Grundsätze müssen für die gleich lautende Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 5 AtG und dessen Verhältnis zu § 4 Abs. 2 Nr. 3 AtG gelten. Die Kläger haben zur Begründung der Klagebefugnis auch in ausreichender Weise vorgetragen, dass es bei einem Beschuss der Castorbehälter mit Doppelhohlladungsgeschossen in der Umschlaganlage oder während des abschließenden Transportes auf der Straße ins Transportbehälterlager zu einer erheblichen Freisetzung ionisierender Strahlung und massiven Verseuchung der Umgebung kommen würde. Ein derartiger Vorgang mag zwar unwahrscheinlich sein; es ist aber nicht von vornherein ersichtlich, dass ein solches Anschlagsszenario mit den genannten Folgen praktisch ausgeschlossen wäre.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14. März 2013 – 7 C 34.11

  1. vgl. zu diesem Erfordernis BVerfG, Beschluss vom 03.03.2004 – 1 BvR 461/03, BVerfGE 110, 77; BVerwG, Urteil vom 23.03.1999 – 1 C 12.97, Buchholz 402.44 VersG Nr. 12 S. 3 f.; Beschluss vom 05.01.2012 – 8 B 62.11, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 39 Rn. 11 f.[]
  2. BVerwG, Urteile vom 17.07.1980 – 7 C 101.78, BVerwGE 60, 297, 301, 305 = Buchholz 451.171 AtG Nr. 6, vom 19.12.1985 – 7 C 65.82, BVerwGE 72, 300, 310, 318 = Buchholz 451.171 AtG Nr. 15 und vom 17.12.1986 – 7 C 29.85, BVerwGE 75, 285, 289 ff. = Buchholz 451.171 AtG Nr. 17[]
  3. Beschluss vom 05.01.2005 – 7 B 135.04, Buchholz 451.171 § 6 AtG Nr. 3 S. 4[]
  4. in der Fassung vom 10.09.2003, BGBl I S.1913 – seit 2009 Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt – GGVSEB – BGBl I S. 14, zuletzt in der Fassung vom 22.01.2013, BGBl I S. 110[]
  5. BGBl I S. 3114[]
  6. BVerfG, Beschluss vom 20.12.1979 – 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30, 58; BVerwG, Urteil vom 19.12.1985 – 7 C 65.82, BVerwGE 72, 300, 310 = Buchholz 451.171 AtG Nr. 15 S. 41[]
  7. BVerfG, Beschluss vom 08.08.1978 – 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, 138 f.[]
  8. BVerfG, a.a.O. S. 143[]
  9. BVerfG, Beschluss vom 20.12.1979 a.a.O. S. 57 f.[]
  10. vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.10.1987 – 2 BvR 624/83 u.a., BVerfGE 77, 170, 214[]
  11. BVerfG, Beschluss vom 26.01.1988 – 1 BvR 1561/82, BVerfGE 77, 381, 405; in diesem Sinne auch BVerwG, Urteil vom 17.07.1980 – 7 C 101.78, BVerwGE 60, 297, 301 = Buchholz 451.171 AtG Nr. 6 S. 8[]
  12. BVerfG, Beschluss vom 29.10.1987, a.a.O.[]
  13. BVerwG, Urteil vom 10.04.2008 – 7 C 39.07, BVerwGE 131, 129 Rn.19 = Buchholz 451.171 § 6 AtG Nr. 4[]
  14. BVerwG, Urteil vom 16.03.1972 – 1 C 49.70, Buchholz 451.170 AtG Nr. 1 S. 4[]
  15. BVerwG, Urteil vom 11.01.1985 – 7 C 74.82, BVerwGE 70, 365, 369 = Buchholz 451.171 AfG Nr. 13a S. 22[]
  16. BVerwG, Urteil vom 10.04.2008 a.a.O. Rn. 22[]
  17. Nds. OVG, Urteile vom 30.08.2011 – 7 LB 58/09 und 7 LB 59/09[]
  18. BVerwG, Urteil vom 21.08.1996 – 11 C 9.95, BVerwGE 101, 347, 350 f. = Buchholz 451.171 § 7 AtG Nr. 3[]
  19. BVerwG, Urteil vom 09.07.1982 – 7 C 54.79, Buchholz 451.171 AtG Nr. 12, juris Rn. 16[]
  20. BVerwG, Urteil vom 19.01.1989 – 7 C 31.87, BVerwGE 81, 185, 191 f. = Buchholz 451.171 AtG Nr. 27 S. 58 f.[]
  21. BVerwG, Urteil vom 10.04.2008 a.a.O. Rn. 21 f.[]
  22. BVerwG, Urteil vom 10.04.2008 a.a.O. Rn. 33[]