Ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen ist in einem Gewerbegebiet bauplanungsrechtlich unzulässig.

In dem jetzt vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Streitfall begehrte die Betreibergesellschaft eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Lagergebäudes in ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen, die für eine spätere Verbringung in ein Endlager konditioniert sind. Das Vorhabengrundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der ein Gewerbegebiet festsetzt. Der Bauantrag wurde abgelehnt.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main verpflichtete die Beklagte zur Erteilung der Genehmigung[1], da das Vorhaben im Gewerbegebiet als Lagerhaus zulässig sei. Auf die Berufung des Landes Hessen hob der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel das Urteil auf und wies die Klage ab[2]: Dem Vorhaben stehe die Festsetzung des Gewerbegebiets entgegen. Es handle sich weder um ein Lagerhaus noch um einen nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieb. Bei der baurechtlichen Beurteilung müssten auch die von dem Zwischenlager ausgehenden Emissionen und Gefahren einschließlich strahlenschutzrechtlicher Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus Kernkraftwerken könne – wie sich u.a. aus § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB sowie den atom- und strahlenschutzrechtlichen Vorschriften ergebe – aufgrund der besonderen Gefährdungen nicht in einem Gewerbegebiet angesiedelt werden.
Das Bundesverwaltungsgericht sah dies nun genauso und hat auch die Revision der Betreiberin zurückgewiesen:
Ein Zwischenlager für radioaktive Abfälle aus kerntechnischen Anlagen ist im Gewerbegebiet unzulässig. Es überschreitet bei typisierender Betrachtung wegen des Gefahrenpotentials der radioaktiven Abfälle den im Gewerbegebiet zulässigen Störgrad der nicht erheblichen Belästigung. Die radioaktiven Abfälle unterliegen speziellen Vorschriften des Atom- und Strahlenschutzrechts, mit denen den Gefahren durch ionisierende Strahlung begegnet werden soll. Das Gefahrenpotential der radioaktiven Abfälle hat auch Bedeutung für die Standortentscheidung. Dies kann der Wertung des § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB entnommen werden, der auch dem Strahlenminimierungsgebot Rechnung trägt. Dieser zentrale Grundsatz des Strahlenschutzes steht der Ansiedlung eines Zwischenlagers für radioaktive Abfälle in einem Gewerbegebiet entgegen.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Januar 2022 – 4 C 2.20
- VG Frankfurt a.M., Urteil vom 30.01.2018 – 8 K 767/14.F[↩]
- Hess. VGH, Urteil vom 12.02.2020 – 3 A 505/18[↩]