Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung – und die nicht durchgeführte FFH-Verträglichkeitsprüfung

Es verstößt nicht gegen Unionsrecht, wenn das Gericht eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung mangels durchgeführter FFH-Verträglichkeitsprüfung (nur) für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt, um so die Nachholung der Verträglichkeitsprüfung zu ermöglichen.

Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung – und die nicht durchgeführte FFH-Verträglichkeitsprüfung

Nach § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29.05.2017[1], der nach der Überleitungsvorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwRG n.F. auch auf die revisionsgerichtliche Überprüfung des angegriffenen Urteils Anwendung findet, führt die Verletzung materieller Rechtsvorschriften nur dann zur Aufhebung einer behördlichen Entscheidung u.a. nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG n.F., wenn sie nicht durch Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann.

Diese Vorschrift ist in Anlehnung an die den Grundsatz der Planerhaltung im Planfeststellungsrecht ausformende Bestimmung des § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG ins Gesetz eingefügt worden[2]. Sie regelt die Rechtsfolgen eines festgestellten Rechtsverstoßes abweichend von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Kann ein Rechtsfehler dadurch behoben werden, dass der ansonsten unveränderte Bescheid um weitere Regelungen ergänzt wird, ergeht ein Verpflichtungsurteil, gerichtet auf die erforderliche Ergänzung, die vor allem Schutzauflagen betrifft. Steht hingegen – wie hier – aufgrund des Fehlers der Fortbestand der Erlaubnis als solcher in Frage, kann ein ergänzendes – wiederaufgreifendes – Verfahren dazu dienen, den Fehler zu beseitigen; in diesem Fall stellt das Gericht die Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Erlaubnis fest und weist die Klage im Übrigen – bezogen auf das in erster Linie verfolgte Aufhebungsbegehren – ab. Wegen der Rechtskraftwirkung des Urteils sind die der Erlaubnis anhaftenden Fehler auf der Grundlage einer umfassenden rechtlichen Prüfung abschließend zu benennen[3].

Die Regelung begegnet insbesondere in Bezug auf die Fehlerheilung durch ein ergänzendes Verfahren keinen unionsrechtlichen Bedenken. Die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle der angefochtenen Zulassungsentscheidungen wird nicht erschwert. Denn mit der Rechtswidrigkeitsfeststellung wird effektiver Rechtsschutz in gleicher Weise wie bei einer gerichtlichen Aufhebung der Erlaubnis gewährt; das Vorhaben kann nach der gerichtlichen Entscheidung bis zur Heilung des Fehlers nicht verwirklicht bzw. – wie hier – in der beanstandeten Weise betrieben werden. Es ist unschädlich, dass die Vorschrift keine Vorgaben für das Verfahren der Fehlerheilung enthält. Das ist entbehrlich, weil das ergänzende Verfahren Teil des ursprünglichen Verfahrens ist und folglich die hierfür geltenden fachrechtlichen Bestimmungen einschlägig sind; nach deren Maßgabe richtet sich insbesondere eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung. Schließlich steht einer nachträglichen Heilung das Erfordernis nicht entgegen, dass die Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL vor der Genehmigung des Vorhabens durchzuführen ist; nachfolgende Prüfungen sind danach grundsätzlich unbeachtlich[4]. Wie bei Fehlern einer vorher durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung, ist eine Behebung des Mangels in einem nach Abschluss des Rechtsstreits stattfindenden ergänzenden Verfahren aber dann nicht ausgeschlossen, wenn dadurch nicht die Möglichkeit eröffnet wird, das Unionsrecht zu umgehen oder nicht anzuwenden, und wenn die nachträgliche Legalisierung die Ausnahme bleibt[5]. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beachtung des Unionsrechts ist, wie bereits oben ausgeführt, durch die Rechtswidrigkeitsfeststellung gewährleistet. Die Bestimmungen des § 34 Abs. 2 und 3 BNatSchG über die Verträglichkeitsprüfung als Teil der Zulassungsentscheidung stellen sicher, dass die nachträgliche Fehlerheilung auf Ausnahmesituationen beschränkt bleibt[6].

Dies hat das Bundesverwaltungsgericht bereits mit Urteil vom 29.05.2018[7] entschieden und hält auch weiterhin daran fest.

Insbesondere hängt die Beantwortung dieser Rechtsfrage nicht davon ab, ob sich das Gericht im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 24.11.2011[8] zu Recht auf die Besonderheiten des Vertragsverletzungsverfahrens berufen konnte. Denn das Bundesverwaltungsgericht geht unabhängig von der Verfahrensart davon aus, dass diese Rechtsprechung der Nachholung der Verträglichkeitsprüfung im Rahmen des § 7 Abs. 5 UmwRG nicht entgegensteht.

Auch aus der Entscheidung des EuGH vom 07.11.2018[9] ergibt sich nichts Abweichendes. Der EuGH wiederholt hier seine bisherige Rechtsprechung, welche das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 29.05.2018[10] in Bezug genommen hat und wonach gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der FFH-RL kein Projekt, das das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigen könnte, ohne eine vorherige Verträglichkeitsprüfung genehmigt werden kann. Hierin liegt keine neue Erkenntnis, die zu einem anderen Verständnis des Unionsrechts führte. Dies gilt auch für die nach der Rechtsprechung des EuGH zulässigen Ausnahmen.

Der weitere Einwand, die Verpflichtung der Gerichte, den angefochtenen Verwaltungsakt vollumfänglich zu prüfen, verursache zu hohe Kosten der Beweiserhebung und verstoße damit gegen die Aarhus-Konvention, legt ebenfalls nicht dar, inwieweit sich hieraus der für rechtsgrundsätzlich erachtete Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 FFH-RL oder gegen § 34 Abs. 1 und 2 BNatSchG ergeben soll. Sollte der Einwand so zu verstehen sein, dass die Beschwerde die Frage aufwirft, ob die Verpflichtung der Gerichte, den angefochtenen Verwaltungsakt vollumfänglich zu prüfen, gegen Vorgaben der Aarhus-Konvention verstößt, Verfahren nicht übermäßig teuer durchzuführen, kommt dieser keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu. Der EuGH hat insoweit bereits entschieden, dass die Kosten eines Rechtsstreits in diesem Zusammenhang nicht die finanziellen Möglichkeiten des Betroffenen übersteigen und in keinem Fall objektiv unangemessen sein dürfen. Nationale Prozesskostenhilfesysteme, die Bedeutung des Rechtsstreits für den Antragsteller sowie für den Umweltschutz und die Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens dürfen bei der Beurteilung der Angemessenheit der Kosten berücksichtigt werden[11].

Danach ist es bei der gegebenen Komplexität immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten geboten, das über den Streitstoff in einem Verfahren konzentriert entschieden wird und nicht nacheinander mehrere Verfahren durchgeführt werden müssen[12]. Hierdurch entstehende (Mehr-)Kosten sind nicht als unangemessen anzusehen, weil sie gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG nur entstehen können, wenn die beanstandeten Mängel durch eine Entscheidungsergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden können. Ist dies von vornherein ausgeschlossen, ist die Genehmigung in Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13. Juni 2019 – 7 B 23.18

  1. BGBl. I S. 1298[]
  2. BT-Drs. 18/9526 S. 44 f.[]
  3. siehe BVerwG, Beschlüsse vom 20.03.2018 – 9 B 43.16 65; und vom 28.07.2014 – 7 B 22.13 – UPR 2015, 34 Rn. 5 f., 9 f., jeweils m.w.N.[]
  4. EuGH, Urteil vom 24.11.2011 – C-404/09 [ECLI:​EU:​C:​2011:​768], Kommission/Spanien, Rn. 99, 104[]
  5. vgl. EuGH, Urteile vom 03.07.2008 – C-215/06 [ECLI:​EU:​C:​2008:​380], Kommission/Irland, Rn. 57; und vom 28.02.2018 – C-117/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​129], Comune di Castelbellino, Rn. 30[]
  6. vgl. BVerwG, Urteil vom 20.12 2011 – 9 A 31.10, BVerwGE 141, 282 Rn. 36[]
  7. BVerwG, Urteil vom 29.05.2018 – 7 C 18.17, NVwZ 2018, 1734 Rn. 30 ff.[]
  8. EuGH, Urteil vom 24.11.2011 – C-404/09, Kommission/Spanien[]
  9. EuGH, Urteil vom 07.11.2018 – C-293/17 [ECLI:​EU:​C:​2018:​882], Coöperatie Mobilisation for the Environment und Vereniging Leefmilieu[]
  10. BVerwG, Urteil vom 29.05.2018 – 7 C 18.17[]
  11. EuGH, Urteil vom 11.04.2013 – C-260/11 [ECLI:​EU:​C:​2013:​221], NVwZ 2013, 855 Rn. 38, 40, 42[]
  12. vgl. BVerwG, Beschluss vom 08.05.2018 – 9 A 12.17 – DVBl.2018, 1232 Rn. 7[]